Otto Witte

Vom Gaukler zum König von Albanien

Als Kind eines Schaustellers kam Otto Witte 1871 in Düsseldorf zur Welt und lernte schon in seiner Kindheit auf Jahrmärkten mit Darbietungen Illusionen aufzubauen. Eine Schulbildung konnte er wegen Wandertätigkeit des Familienbetriebes nicht nutzen und ersetzte somit den Mangel durch Pfiffigkeit und Mutterwitz. Ganze zwei Jahre besuchte er nur eine Schule. Mit seinem neunten Lebensjahr löste sich Otto von seinen Eltern und zog mit anderen Schaustellern nach Italien, wo er die Welt der Zauberei erlernte und in Zirkussen, Theatern und Arenen seine Fähigkeiten verbessern und vortragen konnte. Von Italien führte sein Weg mit 12 Jahren in die Schweiz, wo er mit handlesen und wahrsagenseinen Unterhalt während der Reise verdiente. In Mailand bescherte ihm das Glück der Ähnlichkeit eine gewisse Zeit ein sorgenfreies Leben. Eine reiche Witwe erkannte in ihm den verstorbenen Sohn, dessen Platz Otto von nun an einnahm bis es ihm wieder langweilig wurde und er sich abermals auf Reisen begab. Nunmehr führte sein Weg Richtung Osten über Italien, Ungarn, Jugoslawien nach Serbien, wo er sich am Hofe als Hilfsarbeiter verdingte und Gelegenheit fand dem Königspaar seine Kunststückchen vorzuführen.

Sein Weg weiter führte ihn dann nach Konstantinopel, wo er auf einem Dampfer als Kohlentrimmer anheuerte. Seine Schlitzohrigkeit kam hier das erste Mal zu Ausdruck, als er Stahlwaren aus Solingen unverzollt an Bord brachte und diese an die Passagiere verkaufte. Auch mit seinen Zauberkunststückchen verdiente sich auf dem Schiff einiges nebenbei. In der Türkei begann dann schon der Schwindel mit irgendwie gestempelten Papieren oder Rechnungen, die ihm alle Türen öffneten.

Ausweis Otto Witte Als nächstes fand er Anschluss an einer Expedition, die das Gebiet des Nils erforschen wollte. Bei einem Empfang, wo Negus Negesti Menelik II und seine Tochter zugegen waren, gefielen der Prinzessin nicht nur die Kunststücke von Otto, sondern auch der blonde Otto selbst, so dass sie beschlossen gemeinsam zu fliehen. Sie kamen aber nur bis Suakin, wo sie von der Hafenpolizei geschnappt wurden. Die Nachfahrin des König Salomo und der Königin von Saba kam wieder zurück zu ihren Eltern und Otto kam hinter Schloss und Riegel. Pfiffig und gewandt wie er war gelang es ihm von dort rechtzeitig zu verschwinden und sein Weg führte dann weiter durch den nahen Osten. Nachdem er abermals auf einem Schiff anheuerte kam er nach Beirut, wo er sich schließlich zu Fuß nach Jerusalem auf den Weg machte. Hier fand sich wiedermals lohnende Bekanntschaft, die ihm einige Zeit dort verweilen ließ.

Nachdem er nun Europa und eine  Teil Asiens kannte führte seine Reise weiter nach Afrika. Dort fotografierte er in Ägypten Königsgräber und schnüffelte ein bisschen in der Touristikbranche. Ein warmes Plätzchen und Gönner fand er auch in Kairo in einer Rumänin, mit der er ein gutes Verhältnis pflegte. Einem ewig unruhigen Menschen packte alsbald wieder die Abenteuerlust und ging zurück nach Konstantinopel. Werber der Fremdenlegion hatten mit ihm eine leichte Beute. Hungrig auf neue Abenteuer ging er darauf ein, zog es aber vor, nach Kennen lernen der harten Ausbildung doch besser wieder zu verschwinden. In einer erbeuteten Offiziersuniform und einem falschen Pass mit dem Namen Graf Hohenthal gelang es ihm mit Hilfe einer deutschen Frau nach Hause. Diese vermögende Dame hatte ihren Gatten zuvor verloren, was Otto wieder zu Gute kam. Neben dringend benötigter Kleider konnte er wieder ein gemachtes Nest finden und die Rolle des Ehemanns übernehmen. Als ein Kaufmann aus Sachsen an der temperamentvollen Gönnerin Gefallen fand verzichtete Otto gegen eine Abfindung von 20 Pfund Sterling und räumte den Platz. Der Kaufmann kannte wohl das Schlitzohr und wollte ganz sicher gehen, in dem er Schiffskarten nach London besorgte und sich vergewisserte, dass Otto auch tatsächlich das Schiff bestieg.

Otto fand auf der Fahrt nach London schnell den Trost in der jungen und hübschen Griechin Matkei mit der er einige Zeit lebte. Als das Geld zur Neige ging verfiel die schöne Matkei einem Anderen, der ihr viel Geld vorgaukelte und sie mit ihm nach Amerika durchbrannte. Später stellte sich heraus, dass dieser selbst ein Halunke war und 300 Pfund mit einem gestohlenen Scheckbuch erschwindelte. Um seiner verlorenen Geliebten nachzureisen fand er einen alten Freund wieder, der ihm als blinder Passagier in einem Kohlenbunker unterbrachte und während der Reise verpflegte. In Amerika angekommen fand er aber seine Geliebte nicht wieder und machte sich auf dem Heimweg nach Deutschland. Wie früher als junger Bursche ging er wieder mit einem Zirkus auf große Fahrt und trat als Clown in der Manege auf, als er die Spur seiner ungetreuen Matkei wieder fand. Diese solle jetzt in Konstantinopel leben und verheiratet sein.

Otto Witte vor seinem Wohnwagen Otto beschloss nach Konstantinopel zurückzukehren und suchte die Geliebte während der Abwesenheit des Ehegatten auf. Ohne sich zu verabschieden verschwand er wieder und schloss sich einer russischen Expedition nach Ägypten an. Über 4000 km quer durch Afrika führte seine Reise schließlich nach Indien, wo er sich als Taucher für eine Tiefseeexpedition verpflichtete. Von dort aus ging sein Weg weiter nach Südafrika und machte Bekanntschaft mit Menschenfressern. Dieser Gefahr zu entkommen nutzte er wieder seine Zauberkunststücke und überzeugte die Eingeborenen, dass er mit dem großen Geist in Verbindung stehe und über geheimnisvolle Mächte verfüge.

Bei den Pygmäen angelangt bedankte er sich für dessen Gastfreundschaft mit der Befreiung dreier Fräuleins aus dem Nachbarstamm, die aber nicht in ihrem Stamm zurück wollten und fortan mit Otto seine Reisen fortsetzten. In Europa wieder angekommen gab er Zaubervorstellung und band seine exotischen Damen in das Programm mit ein. Der Mädchen überdrüssig geworden verheiratete er diese und konnte wieder allein seinen Abenteuern frönen. In Deutschland zurück gründete er eine Familie und zog wieder über Jahrmärkte mit seinen eigenen Attraktionen, bis neue Abenteuer ihn zum 1. Balkankrieg als türkischer Offizier verschlugen.

Unter falschem Namen im Dienste des türkischen Geheimdienstes stahl er die Aufmarschpläne der bulgarischen Armee aus dem Kriegsministerium in Sofia. Zu den 10.000 Goldpiaster heimste Otto für die geglückte Aktion das türkische Majorspatent ein. Nun sollte er auch noch die Aufmarschpläne der Serben herbei schaffen, was ihm mit Hilfe eines Mädchen gelang, wo er wieder einmal Herz und Zimmer eroberte. Zurück in der türkischen Geheimdienstzentrale übergab er dort die Pläne und auch für diese Aktion seine 10.000 Goldpiaster bekommen. Die Mitarbeiter des Geheimdienstes nannten Otto Witte immer Prinz, da sie in ihm eine unheimliche Ähnlichkeit zum türkischen Prinzen Halim Eddin sahen. Dies führte ihn dann zu seiner gewagtesten Aktion, die ihm in die Geschichte eingehen ließ.

Zum Ende des Balkankrieges herrschten verwirrende Zustände. Albanien war selbstständig geworden und die Nachbarländer stritten über die Kriegsbeute. Um ihre Unabhängigkeit zu wahren bedienten sich die Albaner einer Königsproklamation, um die staatliche Unabhängigkeit abzusichern. Neben einigen Vorschlägen aus Europa fiel die Wahl der Albaner auf den türkischen Prinzen Hallim Eddin.

Hinter der serbischen Front beim Ausforschen im Einsatz kam ihn der Gedanke in den Sinn, die in Albanien stehenden türkischen Armeen zum Handeln zu veranlassen und als vermeintlicher türkischer Prinz selbst den Oberbefehl über die Truppen übernehmen. Seine guten türkischen Sprachkenntnisse und die Hilfe eines guten Freundes, der als Adjutant an seiner Seite stehen sollte, verfassten sie zwei Telegramme, die der albanischen Regierung ankündigte, dass der neue Monarch Prinz Hallim Eddin in zwei Tagen anreisen würde und den Oberbefehl der türkischen übernehme. Unterzeichnet wurde mit „Der Sultan”. In Konstantinopel aufgegeben befanden sich die beiden bereits in Durazzo. Zuvor in Wien besorgte türkische Uniformen vom Kostümverleiher wurden den beiden fast zum Verhängnis, als diese in die Fänge serbischer Offiziere gelangten. Beim türkischen Vorposten angelangt verkleideten sich die beiden in Fantasieuniformen und Witte befahl seinem Adjutanten dem türkischen Posten zu melden, dass „Seine Hoheit Prinz Halim Eddin” wünsche unverzüglich general Essad Pascha zu sprechen. Mit einem Gefolge zahlreicher Offiziere kamen sie zum Quartier des Befehlshaber und nahmen sogleich eine Parade ab. Mit Kenntnisse der Aufmarschpläne Serbiens und einer ergreifenden Rede übernahm er das Kommando und machte bei den türkischen Generälen einen solchen Eindruck, dass diese ihm sogleich zum König von Albanien auszurufen vermochten. Was Otto sehr gefiel bereitete seinen Begleiter Bauchschmerzen.

Vorstellung des Königs von Albanien Gesagt, getan, am 15. Februar 1913 wurde Otto Witte, ein deutscher Schausteller, von Essad Pascha zum König von Albanien ausgerufen nahm unter Jubel der Bevölkerung den Thron an und versprach dem stolzen Volk ein würdiger König zu sein. Als es zur Vorlesung der Regierung kam sprang sein Begleiter Arzim ein und wurde zum Dank als 1. Minister ernannt. Nach einer weiteren ergreifenden Rede wurde Otto mit Geschenken bedacht. Schließlich übernahm Otto den Regierungspalast, wo schon ein Harem von jungen und hübschen Mädchen einflussreicher Albaner auf ihn warteten. Für den falschen Prinzen begann nun eine berauschende Zeit. Er ließ Feste veranstalten, nahm militärische Paraden ab, gab Empfänge und vergnügte sich mit den Haremsdamen. Die Nachricht der Krönung verbreitete sich in alle Welt, so dass früher oder später auch der echte Prinz Halim Eddin davon erfuhr. So kam es dazu, dass aus Konstantinopel ein weiteres Telegramm eintraf, in dem es hieß, Prinz in Konstantinopel aufhielte und der vermeintliche König ein Betrüger sei. Um sich aus der Affäre zu ziehen rief Otto Witte eilig den militärischen Stab zusammen und ließ Assad Pascha, der das Telegramm erhielt, kurzerhand verhaften und ernannte den Albaner Ben Dota zum neuen Oberbefehlshaber. Nun wussten Otto Witte und sein Begleiter Schwertschlucker Max Schlepsig, dass ihnen der Boden unter den Füßen zu heiß wurde und beschlossen das Weite zu suchen. Sie tauschten wieder ihre Kleidung und verschwanden im Morgengrauen Richtung Durazzo. Dort ließen sie die serbischen Posten unbeschadet passieren, da sie von zwei zerlumpten Bauern ausgingen, die nur zum Markt wollten. Sie bestiegen ein österreichisches Schiff und fuhren nach Fiume. Dort angekommen war die Nachricht vom falschen König schon um die ganze Welt gegangen. Hier trennten sich die beiden Königsabenteuerer und Otto machte sich auf den Weg Richtung Deutschland, wo er auf neue Schwierigkeiten traf.

Bei einer Zollkontrolle in Salzburg fand man in seinen Hosentaschen Schätze. Telegrafische Nachfragen des Zolls in Tirana brachten keine Ergebnisse, da man nicht zugeben wollte auf einen Schwindel hereingefallen zu sein. Otto beteuerte weiterhin der Exkönig von Albanien zu sein und landete schließlich in der Nervenheilanstalt. Dank eines alten Zeitungsartikels erkannte der Chefarzt Otto wieder und entließ ihn aus der Anstalt. Nun konnte er seine Reise in die Heimat fortsetzen.

Otto Witte reitet durch Berlin Nun kehrte er wieder zu seinem Zirkuswagen zurück, war als Raubtierbändiger unterwegs, führte zeitweise eine Abdeckerei und besaß auch eine Obstplantage.

(aus den Erzählungen von Otto Witt)

Ob es sich hier um eine rege Fantasie von Otto Witte handelt bleibt jedem Leser selbst überlassen. Fest steht, dass vieles aus seinen Erzählungen nachvollzogen werden konnte. Und das Abenteuer geht noch weiter. Wenn Sie nicht genug haben, dann folgt hier die Fortsetzung...

Der 1. Weltkrieg war vergangen und Otto lebte nun in Bad Kreuznach, wo er eine Wirtschaft namens „Zur Rhein-Nahe-Bahn” bewirtschaftete. Für seine Geschichte fand Otto reichlich Zuhörer. In die Politik hineingeschnuppert packte ihn offensichtlich abermals der Übermut und gründete für die Reichspräsidentenwahl 1925 eine fraktionslose Partei und sammelte zur Unterstützung seiner Kandidatur Unterschriften. Damals verstarb der Reichskanzler Friedrich Ebert und Otto sah sich schon als Nachfolger. Zum Erstaunen brachte es Otto im ersten Wahlgang zu über 100.000 Stimmen verzichtete aber darauf und schenkte sie in einer großartigen Geste dem generalfeldmarschall von Hindenburgs.

1939 erschienen seine Memoiren als Tatsachenbericht in Buchform.

(Ein von Otto Witte selbst geschriebener Entwurf, sowie das Buch selbst befinden sich in der Pankower Stadtbezirkschronik.)

Erst 1947 trat Otto Witte wieder in Erscheinung. Diesmal war es das Nachkriegsberlin, wo er beim Oberbürgermeister der Stadt die Wiederzulassung seiner Partei beantragte. In der Charlottenburger Neuen Zeitung war zu lesen:

Auf in den Reichstag! Im Jahre 1918 gründete Witte, der übrigens jetzt auch mehrere Gastwirtschaften in Kreuznach besitzt, eine Partei und lässt sich als Reichskandidat aufstellen. In einem Flugzettel heißt es wörtlich: Wählerinnnen und Wähler, Mittelstand, Arbeiter, Schausteller, Händler, Gastwirte, Kleinbauern sowie alle Unterbeamten, lasst euch nicht durch anderes Schreiben und Sprechen betören, seid fest und standhaft, denn keiner kann eure Interessen besser vertreten als Otto Witte, Gastwirt, Schausteller und Händler. Witte ist ein weltbereister Mann, der Land und Leute im In- und Ausland genau kennt, solch ein Mann wie Witte braucht unser Reich.. Witte ist unentbehrlich in der jetzigen Zeit, darum muss die Wahlparole heißen: „Otto Witte wird gewählt! Das ist der richtige Mann!”.

Alles im allem ließ die Alliierte Kommandantur die Wiederbelebung der fraktionslosen Partei nicht zu.

Die Dreistigkeit von Otto nahm kein Ende, so schaffte er es tatsächlich im Ostsektor der Stadt in seinem Ausweis vermerken zu lassen „ehemaliger König von Albanien”.

Otto Witte stirbt 80jährig am 13. August 1958 in Hamburg und liegt dort auf dem Friedhof Ohlsdorf begraben.

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